1998 Bildhauersymposium

Kunst und Natur

Karl Aichinger, Weiden (D) – „Berührung – Gesang am Fluß“
Ludwig Bäuml, Kallmünz (D) – „Schrein der blauen Lilie“
Alexandru Pasat Prof. Uni Cluj (RO) , – „Das Quadrat schläft“
Franz Pröbster-Kunzel, Freystadt (D) – „Dreifaltigkeitssäule“
Snejana Simeonova, Sofia (BUL), – „Türme“
Jozef Sramka, Bratislava-Cunova (SL), – „Weg zum Kreuz“
Gergely Zoltan, Cozmeni (RO), – „Eisenblumen“

Nur ein paar Gedanken zum Symposium 1998 in Beratzhausen

 

2 x 7 ist 1000

Mit dieser Multiplikation werde ich so manchen vor dem Kopf stoßen, der seine Freude an der Mathematik hat oder zumindest auf korrekte Rechnungen besteht. Diese Freude wird er jedoch sehr schnell überdenken, wenn er Jozef Sramka trifft und dieser ihm mit seinem verschmitzten Lächeln seinen Künstlernamen mitteilt: 2 x 15 = 18 Jozef Sramka.

Man muß nicht rechnen, um diesen Namen zu verstehen, sondern man muß Jozef kennenlernen, um ein bißchen davon zu verstehen, was er schlicht und einfach mit „Tragik und Komödie“ erklärt.

Mich brachte er auf eine neue Formel: 2 x 7 =1000

Sieben Künstler aus Rumänien, Bulgarien, der Slowakei und der Oberpfalz treffen zunächst auf sieben Organisatoren von einem Kuratorium, das sich europäischer Kulturarbeit widmet. Das Ergebnis, symbolisch mit 1000 ausgedrückt, steht für vieles: tausend Augenblicke, tausend Gedanken, tausend Eindrücke, tausend Mal lächeln, tausend Mal fragen, tausend Prost, Nastrovie oder göre me gölle...es steht auch für viele, die hinzukamen, diskutierten, kritisierten, schwärmten, schimpften, fragten und antworteten oder gar mitarbeiteten.

Vielleicht haben wir es noch gar nicht richtig wahrgenommen: Unsere sieben Künstler haben uns in diesen drei Wochen auf den Dialog mit unserer Natur eingestimmt. Für mich haben sie diesen Kommunikationsprozeß begonnen mit den Fragen, die sich mir stellen, wenn ich ihre Werke betrachte. Sicher stellen auch Sie sich Fragen, wenn Sie die Werke betrachten, die in Beratzhausen entstanden sind.

„Kunst und Natur“ haben wir als Thema vorgegeben. Erst mit Hilfe unserer Beiräte kamen wir auf dieses Thema, nicht wie man vielleicht meinen könnte, ganz aus unserem Oberpfälzer Herzen heraus. Ganz abgesehen von unserem großen politischen Thema „Aufbruch nach Europa“ haben die Beiräte uns mit feinem Gespür an ein Thema herangeführt, das im wahrsten Sinne des Wortes vor unserer Haustür steht. Ein

Thema, das wir selbst in unseren Gedanken übersehen haben, weil wir mit unseren Idealen ganz auf internationale menschliche Begegnungen in unserer Europagemeinde ausgerichtet waren. Und dennoch haben wir mit „Kunst und Natur“ ein Thema gefunden, das sehr gut zu Europa paßt, ist es nicht gerade die Achtung der Natur , die die Menschen näher zusammenbringen kann. Ist hier nicht ein Konsens, den wir am leichtesten finden?

Die Künstler, die sich mit diesem Thema auseinandergesetzt haben, zeigten uns, wie sensibel sie mit der Natur umgehen, mit den Dingen, die für uns so selbstverständlich vor jener Haustüre liegen.

Schon beim Kolloquium im Mai mahnte uns Franz Pröbster-Kunzel: „Ihr müßt hinausgehen mit Eueren Kunstwerken, hinaus in Euere wunderschöne Natur!“ Und nicht von ungefähr fand er einen seiner beiden Plätze im idyllischen Schrotzhofen und schuf im Dialog mit dem Pfarrer und der Gemeinde eine „Dreifaltigkeitssäule“. Drei Edelstahlsäulen halten zwanzig Jurasteine aufeinander, von denen jeder für eine Familie des Dorfes steht. Die drei Edelstahlsäulen stehen für die Dreifaltigkeit. Sie gibt den Menschen des Dorfes Halt. An der Spitze sind die drei Säulen abgeschrägt und mit Blattgold belegt. So bildet sich hier ein goldenes Dreieck.

Im Ortszentrum gab Franz der Natur mit seinem zweiten Werk einen Rahmen, um den dahinterstehenden Busch  entsprechend Geltung zu verleihen. Das Werk wird sich in den Jahreszeiten verändern, vielleicht verändert es auch unsere Gedamken.

Snejana Simeonova zeigte sich immer wieder begeistert von der Natur des Labertals und erklärte uns den Nutzen unserer Kräuter. Sie schuf fünf Türme, die, läßt man ihnen die Natur als Hintergrund, vier Bäume transparent werden lassen. Kleine Verästelungen auf den Türmen stimmen das Werk noch mehr auf die umgebende Natur ab. Mit viel Kraft und Energie bearbeitete sie den Brunner Sandstein, den sie am liebsten noch mehr naturbelassen haben wollte. Türme sind das Thema ihres künstlerischen Werkes und

dieses Thema brachte sie auch in Einklang mit unserer Natur.Ich werde nicht vergessen, wie ich gemeinsam mit ihr und Jozef am Hohen Felsen den Platz für das Werk von Jozef erkundete und mit welchen Worten sie über unser wunderbares Labertal schwärmte. Wie sie für mich längst verborgene Kräuter wieder ans Licht holte und mir erklärte, welche Krankheiten sie lindern. Eine Bulgarin erklärt mir auf Englisch die Pflanzen meiner Heimat, das gibt Anlaß zum Nachdenken.

Zu Denken gibt mir auch die Tatsache, daß Jozef Sramka genau jenen Platz am Hohen Felsen fand, um dort seine Findlinge auf dem Weg zum Kreuz zu plazieren. Diesen Ort hatten wir nicht eingeplant. Beim Kolloquium im Mai war Jozef einen halben Tag verschwunden. Als wir seinen Blick sahen, mit dem er zurückkehrte, wußten wir, er hat seinen Platz gefunden. Als er uns seinen „Weg zum Kreuz“ erklärte, wie die vier Elemente von der Verbeugung bis zur aufrechten Säule ausgerichtet sind auf das Kreuz auf diesen Felsen, konnten wir nur sagen, das ist sein Platz, der auch uns zum Meditieren einlädt. Ein Kunstwerk aus dem Holz von Kiefern, die uns über die vergangenen 150 Jahre in dieser Region viel erzählen könnten; gefällt von den Oberpfälzern Alois und Matthias, stehen sie nun an einem Platz, der selbst materialistisch denkenden Menschen  für die Natur gewinnen kann.

Seinem zweiten Werk, einem Quader am Baum auf dem Weg zur Maria-Hilf-Kirche, hat Jozef keinen Titel gegeben. Wichtig sind ihm die beiden Seiten aus Glas, in denen sich die Natur der Umgebung je nach Standort unterschiedlich spiegelt. Von einem bestimmten Standort aus kann man durch den Quader die Pfarrkirche sehen.

Karl Aichinger stieß auf unsere exakt geschnittenen Steinpoller im Laberpark. Sie waren die Findlinge in der Natur, die er in Beratzhausen fand. Die exakten Formen manipulierter Natur brachte er mit seinem Empfinden in Einklang mit dem Fluß und der Umgebung; tastete sich immer wieder von Form zu Form, um diese in die vollkommene Schönheit der Natur einzubinden statt in die Vorstellung  von exakten und geraden Formen. Er wollte aus den Begrenzungssteinen Teile der Natur machen, die mit ihr reden und singen. Die Harmonie der Steine ist für ihn nicht von ihrer exakten geometrischen Form abhängig, sondern von deren Beziehung zu ihrer Umgebung. Dabei spielten die Laber, der Baumbewuchs, aber auch die angrenzenden Skulpturen eine Rolle.Aichinger nannte sein Werk deshalb „Berührung - Gesang am Fluß“

Neben seinem Werk fand auf der grünen Wiese Alexandru Pasat einen Platz für sein Werk. „Das Quadrat schläft“ nennt er die Skulptur, mit der er ein Quadrat von drei mal drei Metern gleichsam einem Kissen „zusammengelegt“ hat, und dies auf einem schönen Platz, der die Menschen zur Ruhe einladen soll. Immer wieder drehte er sein Kissen, klemmte sich förmlich mit seinem Körper daran, um mit vielen kleinen Meißeln Formen zu schaffen, die den Stein weich wie ein Kissen oder gar erotisch erscheinen lassen. Ein Spiel mit dem harten Stein, ein Spiel mit der Natur, das uns den Stein von einer anderen ungewohnten Seite betrachten läßt.

In die Natur um den Europahain kniete sich förmlich L. Wigg Bäuml hinein. Fast zärtlich schnitt er mit der Sichel die verschiedenen Pflanzen des Lammlgrabens, um diese sogleich zu pressen. Auf diesem sorgfältig bereiteten Platz schuf er den Schrein der blauen Lilie, die einen alten Eichenstamm und eine Drahtkugel beherbergt. Geduldig erklärte er den Menschen, was er sich mit dem „Holzkastl“ gedacht habe und feierte Richtfest mit seinen neuen Nachbarn. Erst wenn der Betrachter erfährt, wie sorgfältig die Naturmaterialien und die Bepflanzung ausgewählt wurden, wird er langsam an die Sensibilität für und die Achtung vor der Natur herangeführt, die uns der Künstler vermittelt. Nun läßt er die Natur sein Werk vollenden. Die Pflanzen des Lammlgrabens und die blaue Lilie geben nun den Ton an.

Gergely Zoltan war als jüngster Teilnehmer der Benjamin unter den Künstlern und hatte gerade sein Studium beendet. Mit seinem Werk aus Metall stellte er sich und uns vor eine große Herausforderung bei der Suche nach dem idealen Standort. Oft erklärte er uns seine Metallplastik und mit welchen Wässerchen er sie auch von der Farbgebung her in Einklang mit der Natur bringen werde. Mit verschiedenen chemischen Flüssigkeiten schuf er an den Außenwänden des Werkjes die rostige Farbe, während er die Innenseiten lackierte und von weitem sichtbar glänzen. Die abstrakte Form lud uns zur Interpretation von drei Blüten ein, für welche die Natur Modell gestanden ist. Zoltan nannte sein Werk „Eisenblumen“. Das Werk steht nun vor den Toren unserer Europagemeinde und wird den Passanten einen ersten Wink geben, daß er mit einem Besuch in Beratzhausen auf eine Künstlerkolonie treffen wird, in der die Werke, die dort stehen und die Menschen, die an der Entstehung teilgenommen haben, viel zu erzählen haben.

2 x 7 =1000

Sie stimmen mir vielleicht zu, daß diese Rechnung zwar mathematisch unlogisch ist und dennoch stimmen kann. Denken Sie nicht nach über das Ergebnis, ob 1000 oder 2000.

Reihen Sie sich ein die Rolle der Multiplikatoren! Diskutieren Sie mit uns, fragen Sie mit uns, streiten und lachen Sie mit uns, dann brauchen wir keine großen Worte über Europa, Politik oder die Natur verlieren.

Dann leben wir diese Worte ganz einfach.

Daß wir über all diese Dinge nachdenken und vieles wieder erleben durften, dafür bedanke ich mich ganz herzlich bei unseren Künstlern.

 

Zum Bildhauersymposium 1998

Sieben Bildhauer aus der Region und aus Osteuropa trafen sich im Kultursommer 1998 in der Europagemeinde Beratzhausen, um im künstlerischen Dialog Werke aus Holz, Stein, Metall und anderen Materialien zu schaffen. Vor dem Hintergrund der politischen Situation, die die Veranstalter als „Aufbruch nach Europa“ bezeichneten, arbeiteten die Künstler zum Thema „Kunst und Natur“. Beratzhausen wurde in einer für Europa bedeutenden Zeit wieder zum Ort des kulturellen Austausches.

Politischer Hintergrund

Unmittelbar vor der bevorstehenden Währungsunion, die ein bedeutsames, jedoch nicht das einzige Element der Europäischen Vereinigung ist, wollten die Sparkasse und das Kuratorium Europäische Kulturarbeit mit der gemeinsamen Einladung an Künstler aus der Oberpfalz sowie aus Rumänien, Bulgarien und der Slowakei ein Signal geben. Während zu rumänischen Künstlern bereits seit 1991 ein intensiver Kontakt besteht und zahlreiche Kunstwerke bedeutender rumänischer Künstler in Beratzhausen stehen, wollten die Veranstalter in diesem Jahr den Kreis osteuropäischer Künstler erweitern. Dabei hat man mit Bulgarien und der Slowakei an zwei Länder gedacht, die gemeinsam mit Rumänien bei der letzten Aufnahme in die Europäische Gemeinschaft noch nicht berücksichtigt wurden. Alle drei Länder stehen, streng politisch gesehen, noch vor der Tür dieser Gemeinschaft. Aus dem Bewußtsein heraus, daß Europa kein statisches Gebilde, sondern eine Gemeinschaft auf einem Weg ist, wollte man Künstlern dieser Länder bereits heute das Tor für den kulturellen Austausch öffnen. Mit Künstlern der Oberpfalz sollte ein Dialog unter Künstlern eröffnet werden und mit den Menschen in unserer Region menschliche Begegnungen stattfinden. Damit wollte das Kuratorium ein kleiner Beitrag zum Zusammenwachsen aller europäischen Länder leisten, denn bereits vor den politischen Strukturen müssen die Menschen zueinander finden. Dieses Anliegen sollte mit dem Motto „Aufbruch nach Europa“ ausgedrückt werden.

 

Künstlerischer Hintergrund

Nachdem mit der „Rumänischen Kulturwoche“ im Jahr 1991, mit dem Bildhauersymposium 1992 und der Internationalen Ferienmalakademie, die

seit 1993 jährlich stattfindet, zahlreiche rumänische Künstler das Leben in Beratzhausen bereichert haben, wagte das Kuratorium mit dem Symposium der Konkreten Kunst im Jahr 1995 zum ersten Mal eine große Ausweitung seiner Gäste auf zehn europäische Länder. Zwölf Künstler aus zehn Ländern Europas schufen Werke der konkreten Malerei, die seit dieser Zeit als feste Ausstellung in sechs Ländern Europas gezeigt wurden.

Im Jahr 1998 wollten die Veranstalter wieder ein Bildhauersymposium organisieren. Während beim Symposium 1992 ausschließlich Arbeiten in Stein gefertigt wurden, wurden in diesem Jahr Holz, Stein, Metall und verschiedene Materialien verwendet. Es handelte sich um Künstler verschiedener Kunstrichtungen, die zum Thema „Kunst und Natur“ arbeiteten.

 

Michael Eibl

Kuratorium Europäische Kulturarbeit